Am 23.4.2022 hat meine historische Exkursion zum ehemaligen Festplatz in der Bürgerhorst in Neustrelitz stattgefunden. Wir waren insgesamt 12 Leute, jung und alt, aus Neustrelitz, aber auch bis Mirow und Neubrandenburg. Bei bestem Frühlingswetter, warm und sonnig mit leichten Wolken. Die Blätter sprießen an den Bäumen und im Wald blühen die Buschwindröschen.
Zunächst mussten wir an der Schlosskirche den kurzen Weg zum Hirschtor nehmen, da der Schlossplatz für den Aufbau der Festspielbühne abgesperrt ist. Dann auf dem den Hohlweg durch den Tiergarten, vorbei an der Wiese und den Kleingärten weiter in die Bürgerhorst. Heisst es eigentlich der oder die Bürgerhorst? Und warum überhaupt „Bürgerhorst“ war dann schon die Frage einiger Teilnehmer.
Auf jeden Fall ist es „die“ Bürgerhorst. Wie der Name entstanden ist kann ich auf die Schnelle nicht mit Sicherheit ermitteln. In einem Kartenwerk von 1780 ist das Waldstück noch einfach mit „Die Horst“ bezeichnet. Ein befreundeter Historiker hat angedeutet, dass der Name sich daraus entwickelt haben könnte, dass es der Festplatz der Bürger war. Das muss ich mir jedenfalls als Forschungsthema notieren.
Weiter ging es durch die Bürgerhorst. Zunächst konnten wir vom Weg aus den „Bunker“ sehen, der im Winter als Fledermausquartier dient. Auch andere Kellerfragmente waren zu sehen. Hier könnte der alte Festplatz gewesen sein. Spuren aus der jüngeren Geschichte, als Neustrelitz Garnison der Sowjetarmee war, könnten hier aber ältere Hinterlassenschaften überformt haben. Ganz in der Nähe gibt es auch mehrere Stahlbeton-Objekte im Boden, die wahrscheinlich Reparaturgruben wie sie die sowjetische Armee gebaut und genutzt hat. An einem kleinen Baum ist eine verrostete Laternenfassung angehangen. Ob das zu einer späten (30er/40er) elektrischen Beleuchtung von Festplatz oder Waldwegen gehörte oder aus DDR-Zeiten stammt war so auf den ersten Blick nicht erkennbar. Wir haben uns weiter auf den Weg gemacht und uns im Bogen an den Bereich herangetastet auf dem nach Hinweisen der alte Festplatz war.
Wir mussten durch das Unterholz, haben ihn dann letztendlich gefunden. Dort ist die Vegetation anders. Kaum Büsche, sondern hohe Buchen und kleinere, die nicht älter als 20-30 Jahre alt sind. Und ganz wichtig: Verstreute Baumstümpfe, die weit fortgeschritten vermodert sind. Das waren wahrscheinlich die Bäume, die man auf den Ansichtskarten sieht. Besonders eine Gruppe von etwa 150 Jahre alten Buchen ist uns aufgefallen. Die haben also schon gestanden haben, als die großen Volksfeste gefeiert wurden. Mit etwas Phantasie kann man sich die 3-4 Buchen auf den Ansichtskarten von vor 100 Jahren vorstellen. Auch wenn es nicht dieselben Exemplare sind, wären es diejenigen, die im Jahr 2022 den Volksfestbesuchern Schatten spenden würden. Wenn der Festplatz noch als solcher noch heute existieren würde.
Der letzte Hinweis, dass wir tatsächlich auf dem Platz waren, waren mehrere zerstörte Tellerfragmente. Teils offen, teils halb eingegraben. Leider scheinen die Bruchkannten sauber, sie sind wohl noch nicht lange zerstört. Auf der Rückseite von einem lässt sich etwas lesen: „H. Erber, Görlitz, Hoteleinrichtungen“.
H. Erber hat Komplettversorgung für – wie man heute sagen würde – Gastronomie und Großküchen geliefert. Es existiert ein Katalog aus 1924. Dort steht im Vorwort:
„Seit dem Jahre 1852 ist mein Grundsatz, nur beste deutsche Wertware zu vertreiben. Meine Spezialität ‚Vollständige Einrichtungen von Hotels, Restaurants, Cafés, Konditoreien, Sanatorien, Krankenhäusern, Fremdenheimen, Kantinen, Großküchen usw.‘ ist in Fachkreisen bekannt“
Tatsächlich kamen wir wieder am Platz mit dem Kellerresten heraus. Der alte Festplatz war gefunden. Der Festplatz, der ursprünglich 1845 für das Strelitzer Schützenfest errichtet wurde, welches wuchs und sich zum Ausflugsziel und Festplatz entwickelte. Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum 2. Weltkrieg war der Höhepunkt, mit drei Restaurants unter Buchen und mit gepflegten Spazierwegen. Es fanden Volksfeste mit bis zu 5000 Gästen, 300 Standplätzen für Buden und Fahrgeschäfte, Theater, Geisterbahn und mehr statt. Dazu war auch an den Gleisen in der Nähe ein eigener Haltepunkt eingerichtet. Nicht nur die Strelitzer und Neustrelitzer kamen, sondern viele Gäste aus Berlin zur Sommerfrische.
Meine Tour dazu: Zeitreise in das Neustrelitz der Kaiserzeit
Direkt am alten Festplatz ist es heute etwas unwegsam, aber da nicht so viel Laub hängt hat man zumindest eine Vorstellung vom historischen Ort bekommen. Insgesamt war es eine gelungene Wanderung durch die frühlingshafte Bürgerhorst mit viel freundlichen Austausch, Kennenlernen und Entdecken.
Fotos: Einen besonderen Dank an Martin Blaczejewski für den Großteil der Fotos!